Wenn Kinder Gewalt in der Familie miterleben müssen

Neue Anlaufstelle für von häuslicher Gewalt betroffene Kinder im Saarland

Sabine Wachs   23.04.2024 | 17:20 Uhr

Wenn Kinder und Jugendliche psychische oder körperliche Gewalt an einem ihrer Elternteile erleben müssen, kann das schwerwiegende Auswirkungen haben. Für sie bietet der Sozialdienst katholischer Frauen jetzt eine Anlaufstelle.

Im vergangenen Jahr hat der Sozialdienst katholischer Frauen (SKF) im Saarland 770 Fälle von häuslicher Gewalt erfasst. Die Dunkelziffer liegt wesentlich höher.

Immer wieder sind auch Kinder von häuslicher Gewalt betroffen. Wenn sie auch nicht direkt Opfer körperlicher oder psychischer Gewalt werden – sie bekommen mit, was zuhause geschieht, sind Zuschauer, wenn ein Elternteil das andere schlägt oder misshandelt und können nur tatenlos daneben stehen. "Mitbetroffene Opfer" heißt das in der Fachsprache. Für sie gibt es jetzt ein eigenes Beratungsangebot vom SKF.

Wie sich häusliche Gewalt auf Kinder auswirkt

Wenn Kinder und Jugendliche Gewalt im Elternhaus mitkriegen, sagt Andrea Wolter, SKF-Vorständin, wirkt sich das oft direkt auf ihr Verhalten aus. "Kinder ziehen sich plötzlich in der Schule zurück, werden ganz still und leise. Es kann aber auch das Umgekehrte sein: Kinder werden sehr auffällig, rebellieren, können aggressives Verhalten, selbstverletztendes Verhalten zeigen, also die ganze Palette."

Das neue Beratungsangebot ist angedockt an die Krisen- und Interventionsstelle für häusliche Gewalt des SKF. Dort werden schon seit 17 Jahren Opfer häuslicher Gewalt betreut. Die Stelle arbeitet saarlandweit eng mit der Polizei zusammen. Werden Beamte zu einem Fall häuslicher Gewalt gerufen, leiten diese mit dem Einverständnis der Opfer die Daten an den SKF weiter.

Sind Kinder und Jugendliche im Haushalt, greift die Kinder- und Jugendpsychologin des SKF, Rosalie Wohlfarter, ein. Kinder und Jugendliche ab sechs Jahren können dann die Beratung des SKF in Anspruch nehmen, für Kinder unter sechs Jahren bietet der SKF eine Beratung für die Erziehungsberechtigten an.

Über das Erlebte sprechen und Hilfestellung leisten

In erster Linie gehe es darum, mit den Kindern oder Jugendlichen über das Erlebte zu sprechen, damit später, im Erwachsenenleben keine Traumata zurückbleiben. Außerdem erkläre Wohlfarter betroffenen Kindern und Jugendlichen, wie sie bei einem konkreten Fäll von häuslicher Gewalt reagieren können – von Nachbarn, Freunden oder Familie alarmieren, bis hin zum Anruf bei der Polizei.

"Ich spreche mit den Kindern durchaus darüber, dass wir eine Beratungsstelle für häusliche Gewalt sind und wenn ich merke, dass sich die Kinder und Jugendlichen langsam wieder etwas sicherer fühlen, von sich aus, dann gehen wir Schritt für Schritt an das Thema häusliche Gewalt ran. Das heißt auch: Welche Emotionen erlebe ich, welche Konflikte habe ich durchzustehen im Alltag?", erzählt Wohlfahrter.

Im Gegensatz zur Krisenintervention bei häuslicher Gewalt, die die erwachsenen Opfer in Anspruch nehmen können, ist das Beratungsangebot für Kinder und Jugendliche langfristig ausgelegt – die Kinder werden also nicht nach zwei oder drei Terminen an andere Stellen weiterverwiesen. Das Angebot wird mit 70.000 Euro im Jahr vom Sozialministerium finanziert.

Über dieses Thema hat auch die SR info-Sendung "Region am Nachmittag" am 23.04.2024 berichtet.


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